Beruflicher Wiedereinstieg und mentale Gesundheit

Ich suche Sinnhaftigkeit und Gestaltungsperspektive in mehr als einem Lebensbereich. Ich liebe die Abwechslung und ich weiß, dass es mir gut tut, mich in mehr als einem Lebensbereich zu verwirklichen. Ich glaube sogar daran, dass meine berufliche Selbstwirksamkeit mein Mama-Dasein positiv beeinflusst. Und meine mentale Gesundheit.

Es ist noch mehr als das: mein Job macht meine Welt wieder ein Stück größer. Ich habe bereits in der Vorbereitung meines beruflichen Wiedereinstiegs bemerkt, dass sich meine Welt in den letzten Monaten merklich verkleinert hatte. Natürlich ist der Fokus auf das Kind erstmal wirklich schön und man braucht nicht mehr als die kleine Familienwelt. Aber nach einem Jahr nehme ich doch stark meine Sehnsucht nach einer Welt wahr, die wieder mehr Vielfalt in mein Leben bringt. Genauso wie mein Kind immer unabhängiger wird und ohne mich auskommt, freue auch ich mich auf Lebensbereiche, die nur mir gehören.

Zudem möchte ich meinem Sohn nicht vorleben, nur in einem Lebensbereich sein Glück zu suchen. Es erhöht zum einen den Druck auf diese Säule und zum anderen stellt die Fixierung ein Risiko für die mentale Gesundheit dar, wenn der eine Bereich mal schlechter läuft. Viel lieber möchte ich ihm vorleben, was es bedeutet Glück und Erfüllung in vielen Dingen zu suchen.

Es hat mich nachdenklich gestimmt, dass es mir trotz Balanceakt zwischen Arbeit und Familie mental besser geht seitdem ich arbeite. Ich lebe gerne in dieser großen Welt - auch wenn sie viel komplexer ist. Wieso ist das so? Auch wenn die mentale Gesundheit von (arbeitenden) Mütter leider ein eher untererforschtes Gebiet ist, sind hier 5 Wege, wie der berufliche Wiedereinstieg die mentale Gesundheit von Müttern positiv beeinflussen kann und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen.

#1 Steigerung des Selbstwertgefühls: Berufliche Zufriedenheit kann zur Steigerung des Selbstwertgefühls führen und damit auch zu einer höheren Sensibilität in Bezug auf die eigenen Bedürfnisse. Selbstwert setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Bindung, Kompetenz und Selbstbestimmung. Ein Beruf kann Mütter nach der Elternzeit wieder das Gefühl geben ihre alte Kompetenz wieder aufleben zu lassen, was sich positiv auf ihr Selbstwertgefühl auswirken kann. Mutter sein bedeutet oft, sehr fremdbestimmt zu sein. Man richtet sich die meiste Zeit nach den Bedürfnissen anderer. Selbst zu bestimmen, sich wieder anderen Aufgaben zu widmen und Unabhängigkeit außerhalb der eigenen vier Wände zu pflegen, kann ebenfalls das Selbstwertgefühl steigern. Und schlussendlich profitiert die ganze Familie von einer Mutter mit einem gesunden Selbstwertgefühl, die ihre eigenen Grenzen kennt und für die eigenen Bedürfnisse einsteht.

#2 Rückzugsort & Rollenklarheit: Der Arbeitsplatz kann für Mütter ein Rückzugsort aus der Rollenvielfalt des häuslichen Umfelds sein. Der Beruf bietet die Chance sich zweitweise nur auf eine Rolle konzentrieren zu können. Als Mama ist man oft alles: Köchin, Putzhilfe, Ratschlaggeberin, Vertraute, Problemlöserin - in anderen Worten, CEO of everything. An der Arbeit ist die eigene Rolle jedoch klar definiert durch die Position, die man inne hat und es gibt klare Grenzen. Man ist an der Arbeit nicht für das Überleben anderer verantwortlich, sondern darf sich an eine klare Rollenbeschreibung halten. Natürlich bildet dies den optimalen Zustand ab. Es gibt genug Organisationen, bei denen es keine klaren Rollen gibt. Nichtsdestotrotz sollte die arbeitende Mutter sich hier besser von Aufgaben abgrenzen können, die nicht in ihrer Expertise liegen.

#3 Puffer bei Konflikten: Hat die berufliche Tätigkeit einen positiven Einfluss auf das Leben der Frau, entsteht eine puffernde Wirkung für die erlebten Konflikte bei der Vereinbarkeit und damit weniger beruflicher und familiärer Stress. Das Gegenbeispiel macht den Punkt noch klarer: wenn in der wertvoll organisierten Zeit ohne Kind einem Beruf nachgegangen wird, der für mehr Stress und Unzufriedenheit sorgt, führt das eher zu Konflikten Zuhause. Wenn die Arbeit aber Energie gibt, anstelle sie nur zu nehmen, kann diese Zufriedenheit als Puffer für Stresssituationen Zuhause sein. Wenn eine Frau sich auf der Arbeit wertgeschätzt fühlt und weiß, dass ihre Position von Bedeutung ist, geht sie gestärkt aus dem Arbeitsalltag. Dann lassen sich auch die üblichen stressigen Situationen Zuhause besser verkraften.

#4 Residenz & Kontrolle: Ein gelungener beruflicher Wiedereinstieg kann zu einem gesteigerten Kontrollgefühl in Bezug auf das gesamte Leben führen. Dies kann zur besseren Bewältigung von Konflikten sowie zu einer Steigerung der allgemeinen Resilienz beitragen. Kontrolle ist hier mit Selbstbestimmung gleichzusetzen, einer der drei Säulen von Selbstwertgefühl. Wenn eine Frau sich aus intrinsischer Motivation dazu entscheidet, wieder in den Beruf einzusteigen, kann dies als Freischlag wahrgenommen werden. Nachdem man so lange für die Bedürfnisse anderer gelebt hat, wird hier das eigene Bedürfnis nach Tapetenwechsel und dem Verlangen nach dem Einsatz von anderer Fähigkeiten befriedigt.

#5 Schutzfaktor vor Depressionen: Berufliche Selbstwirksamkeit und sozialer Austausch an der Arbeit stärken Mütter emotional und können Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen vorbeugen. Eltern sein, bzw. Mutter sein, kann zu einer isolierenden Erfahrung werden. Irgendwann fällt einem die Decke auf den Kopf und Abwechslung kann zu Aufladung der sozialen Batterie führen. Gerade bei Mütter, die keine Familie in unmittelbarer Nähe des eigenen Wohnorts haben, oder die in ihrem Freundeskreis die einzigen/ersten mit Kind sind, kann Isolation ein ständiger Begleiter werden. Der Austausch mit Kolleg:innen kann hier eine echte Rettungsleine aus der Einsamkeit sein. Vor allem, wenn hier Gleichgesinnte auf einen warten, die ebenfalls den Spagat zwischen Beruf und Familie stemmen müssen.

Leider entfalten sich diese 5 positiven Aspekte nur, wenn der berufliche Wiedereinstieg intrinsisch motiviert ist, die Arbeit ein Teil der Suche nach Sinnhaftigkeit und Gestaltungsperspektive im Leben ist und die mentale Integration des Frau-Seins und Mutter-Seins aufgearbeitet wurde.

Unternehmen können bei dem beruflichen Wiedereinstieg unterstützen, in dem sie die Übergangsphase für Mütter durch soziale Unterstützung so flexibel wie möglich gestalten und Möglichkeiten für den sozialen Austausch zwischen Müttern in der Organisation fördern.

Welche Herausforderungen hattest du bei deinem beruflichen Wiedereinstieg? Erzähle mir von deinen Herausforderungen und gewinne eine Potenzialanalyse, die dir dabei hilft deine momentane berufliche Situation zu analysieren. HIER geht’s zum Fragebogen.

📚Wissenschaftliche Quelle: German Medical Science | GMS Zeitschrift für Hebammenwissenschaft

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Bye Mental Load, Mom Guilt und Märtyrertum

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