Bye Mental Load, Mom Guilt und Märtyrertum

Es gibt viele Menschen da draußen, die sich darauf spezialisiert haben, Frauen Tools zu verkaufen, die ihnen bei der Bewältigung von Mental Load helfen sollen. Wieso mich das wütend macht, erfährst du im Laufe dieses Blogbeitrags.

Es geht dabei um Angebote, die versprechen Frauen bei der Erledigung von Alltagsaufgaben zu unterstützen, indem sie bei der Strukturierung des Tagesplans helfen. Ziel ist es dabei am Ende etwas Zeit für sich selbst herauszuquetschen. Es gibt Familienboards, es gibt Bullet-Journaling und viele andere Vorlagen, die dabei helfen sollen, die Mental Load zu reduzieren.

Mental Load = “Seit den frühen 1970er Jahren wird Mental Load als Begriff für psychische Belastungserscheinungen im Zusammenhang mit Stress verwendet und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit in verschiedenen Tätigkeitsbereichen von Erwerbsarbeit diskutiert. Dabei wurde auf die „Cognitive Load Theory“ zurückgegriffen, die die gesundheitlichen Auswirkungen zu vieler Reize auf das Gehirn untersucht. Die Bezeichnung „Mental Load“ wird heute folgerichtig auch für die Belastungen verwendet, die durch das Verantworten und Organisieren von „Alltagsaufgaben“ in den Familien entstehen”.- Silke Martini, 2021.

Ich glaube, dass Frauen keine neuen Werkzeugkästen an Tools brauchen, die ihnen am Ende einfach nur eine weitere To Do Liste bescheren. Ehrlich gesagt, ist das Letzte, das ich brauche, eine weitere To Do Liste. Ich möchte auch nicht weiterhin einfach akzeptieren, dass es diese hunderten To Do’s für mich als Frau geben soll und ich damit klarkommen muss. Schlussendlich ist der unterliegende Gedanke dieser Tools nämlich, dass die Frau eigentlich das Problem der Sache ist. Es sind unser Anspruch und unser Perfektionismus, die uns von einem weniger stressigen Alltag abhalten. So einfach ist es nicht.

Ich verstehe, dass diese Instrumente einigen Frauen helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen. Für mich geht es dabei aber zu viel ums “Überleben” und zu wenig darum, ein Leben für sich in Eigenregie und Selbstbestimmung zu kreieren. Außerdem lässt es für mich außen vor, dass viele Probleme gesellschaftlicher Natur sind und die Organisation zwischen mir und meinem Partner nicht unbedingt die Wurzel allen Übels ist. Solange es die gender care gap und gender pay gap gibt, solange viele Männer noch in traditionellen Rollenbildern leben und solange es für Mütter nicht die gesellschaftliche Anerkennung gibt, die sie verdienen - wird mir eine Umverteilung meiner Aufgaben nicht helfen.

Denn wenn ich ganz ehrlich bin, geht es mir nicht um die Aufgaben an sich. Es geht mir auch nicht darum, dass mein Mann einmal mehr zu einem Kinderarzttermin geht als ich, oder einfach mal selbst daran denkt zeitig Geschenke für Weihnachten zu besorgen. Es geht mir um die unrealistischen Erwartungen, die an Mütter bzw. Frauen an sich gehegt werden. Die viele ungesehene Arbeit und der Ballast an alles zu denken ist eine extreme Belastung, die sich bei vielen Frauen in burnout-ähnliche psychische und physische Erschöpfungserscheinungen bemerkbar macht. Sich noch dazu (selbst) Vorwürfe zu machen, es läge am eigenen Organisationstalent - ist toxisch und wenig hilfreich für die Gesamtsituation.

Du bist nicht kaputt. Sondern die Welt.

Eine Welt, die von Frauen alles erwartet und abverlangt, uns aber nichts an Anerkennung, Selbstbestimmung, oder Freiheit entgegenbringt, ist einfach kein gesunder Ort. Egal, für welchen Weg sich Frauen entscheiden, ob Partner:in oder keine, ob Kind(er) ohne keine, ob Full-Time-Mama oder Working Mom, ob Stillen oder Fläschchen, ob selbstgebackener Kuchen oder der, aus dem Kühlregal - es wird immer die ein oder andere Stimme geben, die uns verurteilt. Und das tut doppelt weh, wenn wir sowieso schon auf dem Zahnfleisch gehen, aufgrund der langen To Do Listen. Im Grund streben wir alle nach Anerkennung und Frauen bekommen sie meiner Meinung nach noch viel zu wenig in unserer Gesellschaft. In diesem gesellschaftlichen Notstand, fühlt sich ein weiteres Organisationstool oder eine Aufgabenliste wie ein schlecht klebendes Pflaster an.

Mir wäre viel mehr geholfen, wenn man mir mehr Mitgefühl, Anerkennung und Freiheit für meine eigenen Entscheidungen zuteil werden lassen würde. Leider lässt diese Haltung in der Gesellschaft noch auf sich warten. Aus diesem Grund ist es nur logisch, dass wir Instrumente suchen, mit denen wir die Überbelastung in Kombination mit dem unerlässlichen Urteil anderer besser verkraften können. Das Problem mit dieser Zwischenlösung ist, das sie mich eigentlich davon abhält, mein bestes Leben zu leben. Die Zeit, die ich mit weiteren Aufgabenlisten verbringe, weil ich denke es löst all meine Probleme, ist verlorene Zeit. Denn ich bin immer noch nicht an dem Punkt, an dem ich in meiner besten mentalen und körperlichen Verfassung mein eigenes Leben bestimme. Ich bin fremdbestimmt - von Tools und Methoden, für die ich wahrscheinlich sogar noch eine Menge Geld gezahlt habe.

Was ist denn dann die Lösung gegen Mental Load, Mom Guilt und Mütter-Märtyrertum?

Die kurze Antwort ist: darauf vorbereitet zu sein, andere Menschen zu enttäuschen. Jede Person so lange zu enttäuschen, bis du dich nicht mehr selbst enttäuschen musst. Ich weiß, mir gefiel dieser Lösungsansatz erstmal auch nicht. Bleib dran, vielleicht gefällt dir die lange Antwort besser.

Am Beispiel Mom Guilt lässt sich ganz gut darstellen, inwiefern wir von der Gesellschaft davon abgehalten werden unser bestes Leben zu leben. Mom Guilt ist nämlich nicht mit dem Empfinden von Schuldgefühlen per se gleichzusetzen. Dr. Becky Kennedy erklärt das Gefühlsphänomen Mom Guilt als “das Agieren außerhalb gesellschaftlicher Werte”. Das Empfinden von Schuld ist eigentlich ein Hinweis darauf, dass wir etwas getan haben, dass nicht unseren eigenen Werten entspricht. Beispielsweise fühlen wir uns schuldig, wenn wir etwas weitererzählen, obwohl wir um Geheimhaltung gebeten wurden. Wir fühlen uns danach schuldig, weil wir eigentlich gemäß den Werten Loyalität, Vertrauen und Freundschaft unser leben Leben wollen. Mom Guilt hingegen, ist der Hinweis darauf, dass es hier gerade eben nicht darum geht, dass du deine eigenen Werte verraten hast, sondern dass du eine Emotion auf eine Handlung empfindest, die von der Gesellschaft nicht anerkannt ist. Jede Mutter fühlt sich beispielsweise schlecht, wenn sie ihr Kind in die Kita gibt. Obwohl sie selbst den Wert der Selbstverwirklichung leben möchte, steht dieser Wert im Konflikt mit dem gesellschaftlichen Paradigma, das eine Mutter sich gefälligst selbst aufopfern muss, um eine gute Mutter zu sein.

Die Moral von der Geschichte: wenn du im Einklang mit deinen eigenen Werten leben möchtest, musst du damit rechnen, die Werte und Erwartungen anderer zu enttäuschen. Meistens ist es ja nicht mal nur dein eigener Wert - es sind die Prioritäten, auf die sich deine Familie geeinigt hat. Es ist nicht mal einfach sich mit seiner Familie bzw. mit seinem Partner auf einen Lebensentwurf zu einigen. Frauen sollten aufgeben zu versuchen eine Ehe mit der ganzen Gesellschaft eingehen zu wollen.

Ich weiß, dass auch die Mental Load Reduzierungslisten darauf eingehen Prioritäten zu setzen und wirklich zu evaluieren, welches To Do man loslassen “muss”, weil man sonst über seine Kapazitätsgrenzen kommt. Lieber wäre es mir, wenn Frauen vorher evaluieren, welche dieser Dinge wirklich ihren Werten entsprechen und welche sie guten Gewissens für immer aus ihrem Leben verbannen können. Damit meine ich nicht nur konkrete Aufgaben, sondern die Evaluation einer Liste von Erwartungen an Frauen und die Entscheidung, welche wir davon einfach verbrennen.

Meine persönlichen Erfahrung nach, schickt vor allem die Geburt eines Kindes der Gesellschaft eine unsichtbare Einladung jegliche Art von Erwartungen und Ratschläge an Frauen zu senden. Das Traurigste daran ist, dass wir auf dem Weg es allen Recht machen zu wollen, die Verbindung zu uns selbst verlieren. Alte Glaubenssätze werden instrumentalisiert, um uns ewig in der Ecke von Schuld und Schamgefühl zu halten, jedes Mal, wenn wir uns selbst priorisieren. Wir beginnen an uns selbst zu Zweifeln, den Glauben daran zu verlieren, dass wir es verdient haben glücklich und erfüllt zu sein. Bis wir einknicken, dem Druck nachgeben und uns wieder an gesellschaftliche Vorstellungen “wie eine Frau/Mutter zu sein hat” halten. Es ist ein Machtspiel, in dem wir aktuell noch die Verliererinnen sind.

Ich sage nicht, dass sich nicht extrem viel verändert hat in den letzten Jahrzehnten und dass ich der Zukunft positiv entgegenblicke. Ich möchte nur nicht mit meinem persönlichen Glück darauf warten, bis sich alle da draußen einig sind und mir Absolutismus für ein Leben nach meinen Vorstellungen geben.

5 Dinge, die mir geholfen haben aus der Spirale von Mental Load, Mom Guilt und falschem Märtyrertum.

  1. Werte definieren. Früher hätte ich mit Sicherheit gesagt, dass “Leistung” einer meiner Werte ist. Heute sehe ich das anders. Gerade nach lebensverändernden Ereignissen, wie der Geburt eines Kindes, ist es sinnvoll seine eigenen Werte neu zu definieren. Dann kann ich mir die Frage stellen, ob das, was ich gerade tue, wirklich gegen meine eigenen Werte verstößt, oder gegen die Abmachungen, die ich mit meiner Familie getroffen habe. Gerade in Momenten in denen Mental Load, oder Mom Guilt an mir nagt, schaffe ich es dadurch, wieder Luft zu bekommen.

  2. Emotionen und Träger kennen. Leider kennen die meisten Menschen ihre eigenen Emotionen kaum und das hindert uns daran, uns selbst zu helfen. Außerdem gelingt mir so eine Satellitenperspektive auf meine Gefühlswelt, ohne in schlechten Gefühlen wie “Scham” oder “Schuld” zu ertrinken.

  3. Verbindung zu mir und meinem Körper wiederherstellen. Mutterwerden hat mich verändert und es hat mich noch einmal mehr in den Fokus der Gesellschaft gerückt, was Erwartungen und Ansprüche angeht. Ich gab mir Zeit, meine neue Identität als Mutter zu reflektieren und mich gleichzeitig an den Menschen zu erinnern, der ich war, bevor mir die Gesellschaft sagte, wer ich sein sollte. Außerdem sagte mir mein Körper nach einer traumatischen Geburt genau, wo meine eigenen Grenzen liegen. Ich entscheide mich heute dazu, mich mehr auf meine körperliche Intuition zu verlassen und meinen Körper für das Wunder zu respektieren, das er hervorgebracht hat. Anstelle ihm nur mit Kritik zu begegnen.

  4. Grenzen setzen und sie mit gewaltfreier Kommunikation verteidigen. Früher war für mich klar, dass ich für jede Anfrage, Bitte oder Gefallen ein offenes Ohr habe und in Aktion springe. Heute ist Zeit wertvoll geworden und ich weiß, dass meine Familie an erster Stelle steht. Einfacher gesagt, als getan, wenn die Menschen von dir etwas anderes gewohnt sind und deine neu gesetzten Grenzen immer wieder in Frage stellen. Gewaltfreie Kommunikation half mir dabei liebevoll und ohne Begründung meine eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren.

  5. Meine Potenziale entfalten. der berufliche Wiedereinstieg kommt normalerweise mit einer noch größeren Belastung für Mütter einher. Obwohl viele Frauen sich auf den Wiedereinstieg freuen, machen ihnen entweder die schlechte Betreuungssituation, die Vereinbarkeit, oder ständigen Schuldgefühle in beiden Lebensbereichen nicht “genug” zu geben, zu schaffen. Ich wollte mein neues Mindset mit an die Arbeit nehmen und nicht so tun, als wäre nichts passiert. Es ist krank von der Gesellschaft zu erwarten, dass wir nach einem so lebensverändernden Ereignis, wie der Geburt eines Kindes, einfach so weitermachen wie vorher. Viele von uns fühlen uns nicht wie die gleich Person - und das ist OKAY! Mehr als das, es ist die Chance auf das eigene (Berufs-)Leben zu blicken und neu zu evaluieren. Es hat mir geholfen, mich an meine eigenen Potenziale zu erinnern und mich daran zu erinnern, was ich alles kann, was wirklich liebe und gerne tue. Ich wollte die Zeit, in der ich nicht mit meinem Kind zusammen bin, auch wirklich nutzen. Ich wollte in der Zeit Energie für meine Familie tanken, wirksam sein und damit ein Vorbild für meinen Sohn werden. Man darf in mehreren Lebensbereichen Freude finden. Dafür musste ich aber nach 9 Monaten Elternzeit erst wieder die Verbindung zu meiner Arbeit und meinen Talenten herstellen.

Aus diesem Grund besteht mein Angebot auch aus zwei Teilen: die Verbindung zu dir selbst und die Verbindung zu deinen Potenzialen. Anhand der DNLA-Analyse stellen wir schnell fest, welche Erfolgsfaktoren gerade gehemmt sind (durch emotionale Grundhaltung, oder Selbstsicherheit), um deine Potenziale zu entfalten und endlich wieder Erfüllung in deiner wertvollen Zeit an der Arbeit zu finden.

Falls du gerne mehr solcher Impulse hättest, melde dich doch gerne zu meinem Newsletter an!

PS: Du bist ne gute Mama.

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Beruflicher Wiedereinstieg und mentale Gesundheit