Wie du mit deinem Partner über Vereinbarkeit sprichst
Warum Care-Arbeit, Gleichberechtigung und echte Gespräche überlastete Mütter entlasten können
Als Paar stellt man sich die Elternzeit oft wie ein gemeinsames Abenteuer vor. Man malt sich aus, wie man sich gegenseitig unterstützt, Aufgaben fair verteilt und gemeinsam wächst. Doch die Realität sieht in vielen Fällen anders aus. Irgendwann kommt ein Moment – meist mitten im Alltag – in dem du das Gefühl hast: Ich mache hier einfach zu viel allein.
Vielleicht weil die Kita-Vorbereitungen morgens an dir hängen. Vielleicht weil du jeden Behördengang übernimmst. Vielleicht weil du nachts aufstehst, obwohl du auch früh raus musst. Und vielleicht, weil dein Partner denkt, er würde sich doch „eh schon viel kümmern“. Das eigentliche Problem ist dabei selten fehlender Wille – sondern fehlende Sprache und Strukturen für das, was Vereinbarkeit wirklich bedeutet.
Warum wir über Gleichberechtigung oft zu spät sprechen
Viele Paare leben vor der Geburt weitgehend gleichberechtigt – zumindest gefühlt. Man geht gemeinsam arbeiten, teilt sich Haushalt und Wochenende. Doch mit dem ersten Kind kippt dieses Gleichgewicht oft schleichend. Die Mutter bleibt zu Hause, übernimmt automatisch die Verantwortung für alles rund ums Kind – weil sie es kann, weil sie Zeit hat oder weil niemand nach Alternativen fragt. Aus einer Übergangslösung wird ein Standard. Das nennt man Mental Load. Und er ist unsichtbar – bis er explodiert.
Ein ehrlicher Blick auf Rollenverteilung
Wenn du dich aktuell fragst, ob die Aufgabenteilung in eurer Familie wirklich gerecht ist, helfen keine Durchschnittswerte. Es hilft nur, genau hinzuschauen.
Einige klassische Punkte, an denen Rollenbilder (unbewusst) sichtbar werden:
Wer kennt die Größe der Gummistiefel?
Wer weiß, wann das nächste U-Untersuchungsheft fällig ist?
Wer plant Geburtstagsgeschenke für die Großeltern?
Wer informiert sich über Betreuungsmöglichkeiten?
Wer beantwortet die E-Mails aus der Kita?
Wer „opfert“ sich, wenn das Kind krank ist?
Was du gerade gedacht hast – das ist eure Rollenverteilung.
Vereinbarkeit beginnt nicht im Kalender – sondern im Gespräch
Es bringt wenig, nur Termine aufzuteilen. Vereinbarkeit beginnt bei einer gemeinsamen Haltung:
Wie wollen wir Verantwortung leben?
Was bedeutet „gerecht“ für uns – zeitlich, emotional, finanziell?
Wie möchten wir als Familie Entscheidungen treffen?
Doch diese Gespräche finden oft nicht statt. Warum? Weil sie unangenehm sind. Weil sie Schuld auslösen. Und weil viele Männer sich schnell angegriffen fühlen – obwohl sie selbst unter strukturellem Druck stehen.
Wie du das Gespräch trotzdem führen kannst – ohne dass es eskaliert
Hier sind fünf Prinzipien, die helfen können, die Schieflage anzusprechen, ohne die Beziehung zu gefährden:
1. Sprich in Ich-Botschaften
Sag: „Ich merke, dass ich abends völlig überfordert bin, weil ich so viel gleichzeitig jongliere.“
Statt: „Du kriegst ja gar nicht mit, was hier alles läuft.“
2. Benenne Fakten, keine Vorwürfe
Beispiel: „Seit drei Wochen habe ich alle Kinderarzttermine übernommen.“
Das macht das Problem greifbar, ohne zu verletzen.
3. Erkenne an, was dein Partner leistet
Ein Gespräch über Fairness ist kein Wettkampf. Es hilft, zu zeigen: „Ich sehe, dass du viel arbeitest. Und gleichzeitig wünsche ich mir…“
4. Stellt euch gemeinsam gegen das System – nicht gegeneinander
Viele Probleme sind strukturell, nicht individuell. Wenn ihr versteht, dass es das System ist, das die Arbeit ungleich verteilt, kämpft ihr als Team – nicht als Gegner.
5. Plant konkrete Schritte – mit Rückfallebene
Was kann dein Partner ab morgen übernehmen? Was braucht er, um sich sicher zu fühlen (z. B. Anleitung, Routine, Geduld)? Und was passiert, wenn es nicht klappt?
Warum das alles nicht nur dich entlastet – sondern auch eure Beziehung stärkt
Wenn Männer von Anfang an intensiv involviert sind, entwickeln sie eine andere Beziehung zu ihren Kindern. Sie verstehen die Abläufe, übernehmen Verantwortung – und spüren auch emotionale Verbundenheit. Studien zeigen: Engagierte Vaterschaft ist ein Schutzfaktor für die gesamte Familie. Sie reduziert Burnout bei Müttern, verbessert die Beziehungsqualität und stärkt die emotionale Entwicklung von Kindern. Doch das passiert nicht von selbst. Es braucht Raum, Übung – und manchmal eine bewusste „Entlernung“ von patriarchalen Mustern. Ein erster Anfang kann auch das Niederschreiben der vielen verschiedenen Aufgaben rund um Haushalt und Kind sein, die das Eis mit dem Partner brechen. Eine passende Gesprächsunterlage und Vorlage für eine Mental Load Masterliste findest du hier.
Falls du mehr darüber hören möchtest, wie mein Mann und ich diese Situation gemeistert haben, kannst du gerne mein Buch lesen:
„Momifest Your Career: Wie Mütter nach der Elternzeit beruflicher Erfüllung finden.” Hier nehme ich dich mit auf unseren Weg und gehe nochmal genauer auf gelungene Gleichberechtigung ein – inklusive Reflexionsfragen für dich und deinen Partner.
Und was ist mit dem “Bigger Picture” in Deutschland?
Die Gespräche im Privaten sind wichtig – aber sie müssen von politischen Maßnahmen begleitet werden.
Deutschland liegt europaweit auf Platz 11 bei Gleichstellung. Während Länder wie Spanien oder Frankreich längst Vaterschaftsurlaube eingeführt haben, diskutieren wir hierzulande noch, ob zwei Wochen Familienzeit „ausreichen“.
Was wir brauchen, sind echte Anreize für gleichberechtigte Elternschaft – und das nicht nur auf dem Papier. Denn solange Mütter den Großteil der Care-Arbeit tragen (und Männer gleichzeitig als Helden gelten, wenn sie zwei Monate Elternzeit nehmen), bleiben Gespräche im Privaten ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Fazit: Partnerschaftliche Vereinbarkeit beginnt mit Ehrlichkeit
Wenn du dich überlastet fühlst, liegt das nicht an dir. Und auch nicht zwangsläufig an deinem Partner. Es liegt an einer Gesellschaft, die Gleichberechtigung immer noch als optionales Upgrade behandelt. Umso wichtiger ist es, dass ihr als Paar den Mut habt, Dinge neu zu verhandeln – ehrlich, konkret, wertschätzend.
Vereinbarkeit ist keine persönliche Schwächefrage. Sie ist ein strukturelles Problem mit einer partnerschaftlichen Lösung.
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